In meiner Kindheit gab es nur ein paar hundert Meter von unserem Haus entfernt noch einen kleinen Milchladen. Der Laden war einfach eingerichtet, mit einem großen Tresen und Regalen, in denen verschiedene Milchprodukte und andere Grundnahrungsmittel lagen. Milch wurde in Flaschen oder Kannen abgefüllt, die man selbst mitbrachte, oder in Flaschen verkauft, die man gegen Pfand mitnahm. Butter wurde direkt aus großen Blöcken geschnitten, gewogen und in Pergamentpapier eingewickelt, während Käse sorgfältig in Wachspapier verpackt wurde. Der Laden war ein sozialer Treffpunkt. Man plauderte mit dem Verkäufer oder anderen Kunden und tauschte die neuesten Neuigkeiten aus. Die meisten Produkte kamen aus der Region, was kurze Transportwege und frische Ware bedeutete. Die Wiederverwendung von Glasflaschen und minimalistische Verpackungen waren damals wesentlich umweltfreundlicher als die heutigen Einwegplastikverpackungen. Die Zahlung erfolgte bar. Es gab kein elektronisches Kassensystem, alles wurde manuell berechnet und auf Papier festgehalten. Es war eine Zeit, in der das Einkaufen weniger hektisch war und mehr Wert auf persönliche Interaktionen gelegt wurde.
Ebenfalls aufgewachsen bin ich mit einem unverwechselbaren, reichhaltigen Geschmack der Milch. Dieser variierte je nach Jahreszeit und wurde stark von der natürlichen Ernährung der Kühe beeinflusst. Im Sommer schmeckte die Milch cremig und vollmundig, mit einer leicht süßlichen Note, die an frisches Gras und Kräuter erinnerte. Im Winter hingegen war ihr Geschmack eher nussig und sahnig, jedoch wesentlich milder.
Leider geht bei der heute im Supermarkt erhältlichen Milch viel von diesem Geschmack verloren. Doch auf einigen Höfen könnt ihr dieses ursprüngliche Geschmackserlebnis wiederentdecken. Wie früher, als es noch Milchläden gab, könnt ihr hier eure Flaschen mitbringen und tagesfrische, unbehandelte Milch direkt an einer Milchtankstelle abfüllen. Beachtet jedoch, dass unbehandelte Milch vor dem Verzehr zwingend ca. 20-30 Sekunden auf 72 °C erhitzt werden muss. Sie kann schädliche Bakterien wie Listerien, Campylobacter, EHEC oder Salmonellen enthalten, die beim Aufkochen abgetötet werden. Der unverwechselbare und vollmundige Geschmack der frischen Milch wird durch diesen kurzen Vorgang jedoch (fast) nicht beeinflusst und bleibt erhalten.
Tipp: Wenn ihr einmal den wirklich absolut unverfälschten Geschmack von Rohmilch ohne Erhitzen entdecken möchtet, sucht nach Höfen, die sogenannte 'Vorzugsmilch' anbieten. Diese unbehandelte Rohmilch wird nur von staatlich zugelassenen und kontrollierten Betrieben hergestellt. Vorzugsmilchbetriebe benötigen eine Genehmigung des Veterinäramtes und unterliegen strengen hygienischen Vorschriften sowie regelmäßigen Kontrollen. Vorzugsmilch kann bedenkenlos ohne vorheriges Erhitzen getrunken werden.